Die “Tour meines Lebens” – Tag 11 (Day Off – Roding)

© Pixxelkunst made by Dirk Draewe

Heutige Etappe: 7,31 km
Gesamtstrecke: 887,91 km
Fahrtzeit (netto): 00:31 Stunden
Ø Geschwindigkeit: 14,1 km/h
70 Höhenmeter

Übernachtung in Roding (Arnulf-Kaserne)


Dienstag, 04.08.2020 – Als ich gegen 08:00 Uhr endlich die Augen aufschlug und aus dem Fenster blickte, blickte ich nur auf einen grauen, wolkenverhangenen Himmel. Immer wieder fiel Regen, mal sehr viel, mal sehr wenig und dabei wollte ich heute eigentlich in Roding noch so viele Sachen anschauen. Leider hörte es auch den ganzen Tag kaum auf zu regnen und meine für heute gesetzten Pläne fielen förmlich ins Wasser.

Nach dem duschen ging ich wieder zu meinem Kameraden Sepp, wir tranken leckeren Kaffe und danach fuhren wir zur Instandsetzung, da er dort für mich einen Termin ausgemacht hatte, damit man mir dort den Gepäckträger wieder richten wollte. Aber erst tranken wir auch dort gemütlich Kaffee, bevor wir uns ans schrauben machten. Nach einiger Zeit hatten wir auch das passende Werkzeug gefunden und schon nach wenigen Minuten war die abgerissene Schraube ausgebort und gegen eine neue ersetzt. Somit stand einer Weiterfahrt am nächsten Tag nichts im Wege.

Danach ging ich wieder auf meine Stube und überlegte was ich nun machen sollte. Draußen regnete es immer noch, meine Klamotten vom Waschtag waren immer noch klamm und irgendwie quälte mich der Gedanke, dass ich möglicherweise nicht den entsprechenden Abschluss meiner Vergangenheit in Roding finden würde. Bevor ich aber eine weitere Entscheidung treffen wollte, ging ich erst einmal in die Truppenküche zum Mittagessen. Auch dort waren wieder schlagartig alle Erinnerungen da. Ob die Faschingsparty’s, Oktoberfeste, Unteroffziersabende, Weihnachtsfeiern mit den Soldaten, das Essen von damals zusammen mit den anderen Kameraden, mir kam es echt so vor, als wäre es gestern gewesen.

Als ich aus dem Speisesaal kam, hatte es kurz zu regnen aufgehört und da ich gerade eh im Erinnerungsmodus war, nutzte ich die kurze Regenpause, um die Kaserne noch einmal zu Fuß zu erkunden. Dabei hatte jeder Bereich der Kaserne eine Erinnerung für mich parat. Ob die Nachschubkompanie 110 mit ihren Unterkünften (ich hatte damals die Stube 212, was mir schlagartig vor dem Block einfiel) oder das Bürogebäude wo ich als Unteroffzier im Geschäftszimmer die Personalakten bearbeitete. Die 2. Kompanie Jägerbataillon 4, wo ich 1991 einen Dienstposten als junger Feldwebel hatte. Die Panzeraufklärerausbildungskompanie 3/4 wo ich 1988 als Hilfsausbilder eingesetzt war und die später dann die 3. Kompanie Jägerbataillon 4 und Unteroffzierlehrkompanie war. Die Hindernisbahn, wo wir unzählige Male drüber gerödelt sind oder die ein oder anderer Unteroffziersaufnahme feierten. Selbst das von uns damals gebaute Beach-Volleyball-Feld existierte noch, wo ich mir mal einen Bänderiss zugezogen hatte. Wie oft war ich als Wachsoldat oder später als Wachvorgesetzter durch die Kaserne gelaufen und hatte alle sicherheitsrelevanten Punkten kontrolliert. Ich konnte mich gar nicht satt sehen, aber als der Regen erneut einsetzte, kehrte ich zu meinem Kompanieblock zurück und musste nun eine Entscheidung treffen… Noch einen Tag “Day Off” oder am nächsten Tag weiterfahren um mich dann evtl. zu ärgern, dass ich doch nicht alle wichtigen Stationen angefahren hatte?

Vor dieser Entscheidung wollte ich aber erst noch mit meiner Frau telefonieren und mit ihr über die Erlebnisse in Roding sprechen. Ich erzählte ihr, dass mich der Regen bisher davon abgehalten hatte, noch weitere wichtige Personen aus meiner Vergangenheit zu besuchen. Ich erzählte ihr auch, dass ich hin- und hergerissen sei, was ich machen sollte. Denn ein weitere Tag “Day Off” ließ auch mein Zeitpolster immer weiter schmelzen und ich wusste ja nicht, was mich im Laufe der nächsten Tage noch so erwarten würde. Da sagte sie nur, dass diese Station so wichtig für mich sei und dass ich wirklich noch eine Tag dran hängen sollte.  Zum Abschluss des Telefonates einigten wir uns darauf, dass ich dann Konstanz auslassen solle, denn den Bodensee hatten wir eh schon seit längerem als gemeinsames Urlaubsziel auf unserer Wunschliste. Glücklich und dankbar über ihre Unterstützung, denn ich wusste, wie sehr sie mich vermisst, beendeten wir unser Telefonat.

Nach dem Telefonat es war mittlerweile nach 17 Uhr und einer Brotzeit, fuhr ich zunächst nach Ziehring, wo ich von Dezember 1987 bis Sommer 1994 mit meiner ersten Familie lebte. Dort wuchsen auch meine drei Kinder auf und als ich vor dem Haus stand, war mir fast so, als höre ich sie im Garten spielen.  Abermals war ich wieder sehr erstaunt, dass sich das Dorf so gut wie gar nicht verändert hatte, ganz anders als Roding wo vieles komplett neu war. Auch hier fielen mir plötzlich wieder die Namen der Nachbarn auf, die ich vorher komplett vergessen hatte. Der schwerer Sportunfall, wo ich mir im rechten Fuss beim Joggen fast alle Bänder abgerissen hatte und unter Schmerzen nach Hause humpeln musste. Oder unser angefahrener Hund Schecki, die ich zur Not-Op in die Tierklinik bringen musste und die jährlichen Hausschlachtungen mit Schweinen vom örtlichen Bauern…

Mittlerweile glühte mein Kopf schon vor lauter Erinnerungen, aber das sollte heute noch nicht alles sein. Denn es stand noch ein besonderer Besuch, nämlich bei meinem ehemaligen Kameraden Peter, der ebenfalls schon im Ruhestand war und in seiner letzten Verwendung Kompaniefeldwebel in Oberviechtach gewesen war. Ich war schon etwas nervös als ich gegen 19 Uhr vor seiner Haustür stand und klingelte. Denn wir hatten uns das letzte Mal 2004 oder 2005 gesehen und bis vor ein paar Jahre standen wir noch telefonisch in Kontakt, der aber irgendwann 2011 oder 2012 einschlief.

Erst hörte ich nichts, es war alles dunkel im Haus und dann hörte ich plötzlich Schritte. Er öffne die Tür und seine erste Reaktion war, dass er sich auf die Stirn schlug, die Tür wieder leicht schloss, danach wieder öffnete und mich mit den Worten “das ist jetzt nicht wahr” begrüßte. Was folgte war eine sehr herzliche Begrüßung, ein paar Bier, leckeren Ballechin Scotch Whisky, sowie sehr sehr lange und tiefgründige Gespräche über die Bundeswehr, über die Pension, das Leben und die gemeinsame Zeit bei der Bundeswehr. Auch die Veränderungen bei der Bundeswehr, vor allem in den letzten Jahren, war dabei ein großes Thema.

Gegen 23:30 Uhr kam seine Frau Sabine von der Arbeit nach Hause und ich durfte kurz zuvor noch ihre Tochter Caroline wieder sehen, die ich noch als Baby kannte. Zu vorgerückter Stunde, ich glaube es war ca 0:30 Uhr, verabschieden wir uns und er gab mir noch zum Abschluss einen Kräuterlikör aus Oberviechtach mit, mit dem ich mir meine Pension versüssen sollte.

Eigentlich war ich schon sehr müde, allerdings musste ich die vielen Erlebnisse des heutigen Tages, sowie die Gespräche mit Peter noch verarbeiten. So wurde es schließlich 2 Uhr bis ich endlich zur Ruhe kam und mich schließlich ins Bett legte. Denn der morgige Tag war zumindest seitens der Planung auch ähnlich anstrengend werden.

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2 Kommentare

  1. Hallo Dirk,
    auch ich habe einige Tage in Roding verbracht. Damals als Reservist der 3./353L auf Unteroffizierlehrgang in einer der Kompanien des Jägerbataillon 4.

    Ich habe wenige Erinnerungen an Roding. Ein Abschlussfoto noch, auf dem wir frischgebackenen Unteroffiziere stolz unsere grünen Litzen (für einige neu) und die “Affenrennbahn” präsentieren.

    Was geblieben ist, ist der Eindruck, dass kaum eine Station meines (reservisten)soldatischen Lebens ihre Soldaten so herzlich empfangen und aufgenommen hat, wie eben diese Stadt in der Oberpfalz.

    Und es ist schade, dass die Jägertruppe, der ich mich noch heute sehr verbunden fühle, in unserer Armee einen derartigen Bedeutungsverlust hinnehmen musste. Waren doch die Jäger seit 1813, und zum Teil schon früher, immer diejenigen, die als erste freiwillig zur Landesverteidigung willig bereit standen.

    Heute bauen wir diese Strukturen – ich bin dabei immer noch als Reservist dabei – mühselig wieder auf.

    Du und deine Tour – ihr nötigt mir Respekt ab. Auf dich, auf die Jäger

    ein dreifaches: Horrido

    • Hi Matthias,

      wann warst Du denn in Roding bei der 3./353L? Ich war auch ne zeitlang in der 2./JgBtl 4 als Ausbilder dort eingesetzt!

      Ich gebe Dir recht, Roding war schon ein besonderer StO und die Freundlichkeit der Bevölkerung mehr als bemerkenswert.

      Mit kameradschaftlichen Grüßen

      Dirk

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