Die “Tour meines Lebens” – Tag 10 (Roding)

© Pixxelkunst made by Dirk Draewe

Heutige Etappe: 70,4 km
Gesamtstrecke: 880,6 km
Fahrtzeit (netto): 03:29 Stunden
Ø Geschwindigkeit: 20,2 km/h
490 Höhenmeter

Übernachtung in Roding (Arnulf-Kaserne)


Montag, 03.08.2020 – Ich wurde in der Nacht immer wieder wach, aber nicht, weil das Nachtlager schlecht war, sondern weil es die ganze Nacht wie verrückt regnete und der Regen nur so auf das Dach der Fischerhütte klatschte. Einmal erschrak ich dann so richtig, da ich im Halbdunkel jemand neben meinem Kopf liegen sah. Aber da fiel mir ein, dass Matze ja erwähnt hatte, dass er die Nacht ebenfalls mit in der Hütte schläft. Aber nachdem er mit seiner Freundin am telefonieren war und mir sagte, dass er draußen auf der Bank pennen würde, hatte ich das total vergessen.

Aber ich war echt heilfroh, dass mir Matze die Fischerhütte angeboten hatte. Nicht auszudenken wenn ich draußen im Wald im Zelt übernachtet hätte, es wäre die Hölle gewesen. Gegen kurz vor 6 Uhr wachte ich schließlich auf, reckte mich uns stand leise und vorsichtig auf. Meine Klamotten waren vom  Vortag immer noch klamm und feucht und ich musste komplett neue Klamotten anziehen. Jetzt hoffte ich nur, dass ich die Sachen in Roding waschen und trocknen könnte, denn so langsam war mein Vorrat an sauberen und vor allem trockenen Sportsachen aufgebraucht.

Nach  einer Flasche Mineralwasser, irgendwie hatte ich mächtig Brand nach dem gestrigen Abend, wachte auch Matze auf. Nachdem ich dann wieder marschbereit war, bedankte ich mich bei ihm noch einmal und betonte noch einmal, wie froh ich über sein Angebot gewesen sei. Danach schwang ich mich auf mein Rad und fuhr weiter Richtung Roding, meinem heutigen Etappenziel, was noch rund 70 Kilometer von mir entfernt war.

Die ersten Kilometer liefen erstaunlicherweise gut und entgegen meiner Befürchtungen war der Radweg entlang der Naab nicht nur sehr flach, sondern auch traumhaft zu fahren. So langsam trockneten bei der Fahrt auch meine Sportsachen, die ich hinten auf meine große Gepäckrolle um trocken befestigt hatte und schon bald konnte ich auch wieder in kurzen Sachen weiter fahren. Die Wiesen und Auen waren teils noch im Nebel verhüllt und alles roch so frisch nach dem Regen… genau das richtige, um mich auf die nächste wichtige Station in meinem Leben vorzubereiten.

Vorbei ging es an Pfreimd und Nabburg und entlang der A93. Der Autobahn, auf der ich fast rund 1 1/2 Jahre täglich mit der Fahrgemeinschaft von Roding nach Weiden pendelte. Da ich aber in der Fischerhütte keinen Strom hatte um meinen Akku zu laden und keinen Kaffee um wach zuwerden, musste nun auch schnellsmöglichst ein Café her. Leider hatte ich in den Ortschaften zuvor kein Café entlang der Strecke gefunden, bis ich schließlich in Schwarzenfeld das Café Central. Ich fragte, ob ich während meines Besuches auch die Akkus laden könnte und als das bejaht wurde, blieb ich fast eine Stunde zu einem sehr reichhaltigen Frühstück sitzen.

Frisch gestärkt machte ich mich auf und je näher ich Roding kam, um so mehr Erinnerungen kamen bei den Ortsnamen bei mir hoch. Wackersdorf, was Ende der 80ziger durch die Proteste gegen die geplante, aber letztlich nicht realisierte Wiederaufarbeitungsanlage abgebrannter Kernbrennstäbe an Berühmtheit gewann. Wie oft wurde ich da Sonntagabend, als ich noch Wehrpflichtiger war und von Nürnberg nach Roding pendelte, von der (damaligen) Bereitschaftpolizei kontrolliert. Oder der Sekundenschlaf der mich auf der B85 fast das Leben gekostet hätte, als ich mal Mittwochabends von Roding nach Nürnberg fuhr, nur um an einem Polterabend teilzunehmen. Als ich dann in den frühen Morgenstunden völlig übermüdet wieder zum Dienst fuhr (es waren immerhin 150 km und damals zu 80% nur Landstraße), nickte ich ein und wurde noch rechtzeitig durch den lauten Knall wach, als ich zwei Verkehrpfosten überrollte. Bodenwöhr mit seinem kleinen Standorübungsplatz, auf dem damals mein junger Kompaniechef kurz vor der Übernahme unserer Kompanie bei einer Geländefahrt mit dem Mercedes Geländewagen Wolf tödlich verunglückte.

Kaum hatte ich Wackersdorf und Bodenwöhr passiert, merkte man schon, dass man sich dem Vorderen Bayerischen Wald näherte, denn das Geländeprofil wurde von Meter zu Meter anspruchsvoller. Aber als ich dann am Horizont die ersten Blicke Richtung Bayerischer Wald erhaschen konnte und die Ausläufer vom großen Arber sah, stieg auch meine Laune.  Jetzt noch ca. zwei Stunden bis Roding und meine Vorfreude auf die Kaserne, dass Wiedersehen mit meinem Kameraden Sepp und seiner Frau Birgit, die vielen vor mir liegenden Begegnungen und Gespräche mit alten Bekannten stieg von Kilometer zu Kilometer.

Am Nachmittag war es dann soweit, ich stand mit dem Rad am Ortsschild von Roding an der Brücke die über den Regen führt. Ich war zwar 2004 das letzte Mal auf Dienstreise in Roding, aber seit dem hatte sich wieder irre viel verändert. Ich genoss die Fahrt durch die Stadt zur Kaserne, drehte kleine extra Runden um alles an Erinnerungen in mich aufzusaugen, bis ich schließlich vor dem Kasernentor stand. Der zivile Wachmann öffnete auch schon die Schranke und winkte mich durch und als ich verdutzt fragte, ob man mich denn schon erwarte, da ich mich nicht ausweisen müsste, grinste er nur und meinte “sie sind schon vom Herrn Bauer (mein Kamerad) angekündigt worden”. Ich lachte und erklärte ihm dass ich erst noch gern ein Foto mit dem Kasernenwappen machen würde und ob das ok ist. Er hob nur den Daumen und sagte “passt scho”… und schon fühlte ich mich so, als sei ich nie aus Roding weg gewesen.

Danach betrat ich das Büro meines Kameraden Sepp und nach knapp 25 Jahren lagen wir uns wieder in den Armen. Wir tranken erst einmal Kaffee und als er mir den Schlüssel gab, sagte er nur, dass er noch eine Überraschung habe. Denn als ich nach dem Weg zum Unterkunftsblock fragte, sagte er nur: “Du kennst doch unser altes Kompaniegebäude, dort schläfst Du heute”. So schloss sich abermals der Kreis für mich, denn ich schlief in dem Block, in dem ich von 1991 – 1995 als Ausbilder eingesetzt war. Schon auf dem Weg zum Kompanieblock überkamen mich die Erinnerungen… die Nachschubkompanie, die Abende im Mannschaftsheim, der Exerzierplatz wo wir immer antraten, wo ich als Fahnenträger die Fahne des Bataillons getragen hatte und dann stand ich auch schon vor meinem ehemaligen Block. Klar hatte sich seit dem viel verändert, die Wandgemälde von den Soldaten waren übertüncht, unser ehemaliger Unteroffiziers-Kaffee/Besprechungsraum war nun ein Großraumbüro, aber ich konnte förmlich Aura der Vergangenheit spüren, fast meinte ich die Stimmen der alten Kameraden zu hören, wenn wir mal gemeinsam feierten.

Danach erfolgte das Routineprogramm, wenn man in Kasernen schläft. Betten beziehen, auspacken und für mich ganz wichtig… Klamotten waschen und duschen. Abends hatte ich mich dann mit Birgit und Sepp zum Essen verabredet und wir landeten schließlich im City-Hotel Roding, welches mir völlig unbekannt war.  Doch bevor wir da einkehrten, gab es erst einmal ein riesiges Hallo mit Birgit und Sepp machte mit mir eine Rundfahrt durch die Kaserne sowie die Stadt Roding.

Dabei war ich selbst wieder erschrocken, an wieviel Details ich mich plötzlich wieder erinnerte. Egal ob Namen von Metzgereien, Café’s, Kneipen, der Discothek Gallaxy, Lokale, Geschäfte und vieles mehr. Dabei hätte ich diese Namen bis vor ein paar Tage definitiv nicht gewusst, wenn mich einer gefragt hätte. Aber auch all die Erinnerungen in der Kaserne, wie z.B. die Sporthalle wo wir kurz vor und nach dem Mauerfall Bürger der ehemaligen DDR aufnahmen und versorgten, die Schleppdächer wo unsere Spähpanzer damals standen, das Tiefwat-Becken, die ABC-Halle wo wir mit Tränengas übten und der Exerzierplatz, wo ich als Gefreiter UA (Unteroffzieranwärter) die Kommandostimme beim Formaldienst trainierte, jagten mir mehr als einmal Schauer über den Rücken.

Nach einem sehr leckeren Essen, fuhren ich mit Ihnen zu Hause und wir ließen den Abend dezent mit Jack-Cola ausklingen. Gegen Mitternacht schlief ich schließlich erschöpft und überwältigt von Glücksgefühlen ein, gespannt, was mir der nächste Tag bringen würde. Aber schon jetzt war für mich klar, dass auch diese Tagesetappe eine der ganz wichtigen für mich auf dieser Tour bleiben würde.

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