Die “Tour meines Lebens” – Tag 6 (Heiligenstadt)

Heutige Etappe: 116 km
Gesamtstrecke: 594,1 km
Fahrtzeit (netto): 05:37 Stunden

Ø Geschwindigkeit: 20,7 km/h
1.110 Höhenmeter
Übernachtung in Heiligenstadt (Sportplatz)


Donnerstag, 30.07.2020 – Etwas später als geplant, fuhr ich erst um kurz vor 8 Uhr bei Sylvia und Oli los, mit dem Ziel, heute noch mindestens Bamberg zu erreichen. Aber nicht ohne einen Zwischenstop bei Anke M. und Andreas M. in Gossmannsdorf einzulegen, die ich noch aus Hammelburger Zeiten kenne.

Auf dem Weg dorthin, fuhr ich eher unbewusst noch einmal an dem Angelteich bei Aubstadt vorbei und mir fiel wieder ein, wie oft ich hier entweder allein oder mit meinem Vater beim Angeln gesessen war. Oder auch der der Eierhof, bei dem ich als Kind, wenn wir übers Wochenende in Aubstadt waren, immer frische Eier geholt hatte. Wieder stellte sich etwas Wehmütigkeit bei mir ein, aber auch diese Momente gehörten zu meinem Leben.

Schnell ließ ich danach Bad Königshofen hinter mir liegen und es galt nun den Rhön-Grabfeld-Kreis hinter mir zu lassen. Gott sei Dank führten die Radwege viel durch Waldgebiete und mit einem grandiosen Rundumblick auf den Rhön-Grabfeld-Kreis, fuhr ich schließlich gegen 10 Uhr in den Bereich Haßberge ein und traf gegen 10:30 Uhr bei Anke und Andreas ein.

Da wird uns auch schon seit 11 Jahren nicht mehr gesehen hatten, verging die Zeit mit Essen und Gesprächen über die Vergangenheit unwahrscheinlich schnell und plötzlich waren zwei Stunden rum. Ich war ganz erschrocken, als ich auf die Uhr blickte, zumal ich auch noch einen Radhändler aufsuchen musste. Denn nach dem letzten Kettenriss und dem Wechsel der Kette, hatte ich keinen Ersatz mehr dabei, und das war mir zu gefährlich. Zudem rutschte auch wieder meine Gangschaltung bei starkem pedalieren immer wieder durch und das machte nicht wirklich Spass.

Andreas empfahl mir den Bike Store in Haßfurt aufsuchen, da er auch auf meiner Route liegt und seine Entscheidung war goldrichtig. Dort angekommen bemühte sich der überaus freundliche Mechaniker in der Werkstatt um meine Problemchen und danach konnte es wieder weitergehen. Er wies mich aber auch darauf hin, dass ihm die Geräusche der Hinterradnabe nicht gefallen und das vorhanden Spiel (was vor der Tour schon korrigiert wurde) war wieder da, aber die beiden Konusschrauben saßen bombenfest. Ich hatte schon die Befürchtung, dass mir nun ein Totalschaden bevorstehen würde und ich die Tour vielleicht schon früher als geplant abbrechen müsste. Aber er meinte in seiner freundlichen fränkischen Art, dass ich mir da keine Sorgen machen bräuchte.

Vor dem Laden traf ich dann noch ein junges Pärchen, welches den Elberadweg in Richtung Norden befuhren. Auch sie zwang ein technischer Schaden im Bike Store zu einer kurzen Rast, wir tauschten uns auch kurzzeitig aus und ich bekam von ihnen eine Tipp für einen kleinen und preiswerten Campingplatz hinter Bamberg. Während einer kleinen Snackpause schaute ich bei Google Maps nach, wo der Campingplatz lag und entschied mich dann doch dagegen, da ich eine zu großen Umweg hätte fahren müssen. Somit stand zu dem Zeitpunkt auch noch nicht fest, wo ich heute Nacht schlafen würde, da ich Heiligenstadt als mögliches Etappenziel aufgrund der fortgeschrittenen Zeit durch die Reparatur eigentlich abgehakt hatte.

Diese Entscheidung wurde noch unterstützt durch die gnadenlos vom Himmel ballernde Sonne, auch wenn es relativ zügig am Main entlang ging. Aber bei gut 30° Grad im Schatten, stand die Hitze regelrecht und machte das radfahren sehr anstrengend, da selbst der Fahrtwind so gut wie keine Abkühlung brachte.

Unterwegs, ich glaube es war bei Eltmann am Main, holt mich ein älteres Paar ein und die Frau fragte mich, wo ich herkomme und was ich noch vorhabe mit all dem Gepäck. Sie fand die Idee der “Tour meines Lebens” total toll und erzählte mir, dass sie auch schon den Jakobsweg gelaufen sei… da war sie dann wieder, die Verknüpfung der “Tour meines Lebens” mit meinem ganz persönlichem Jakobsweg. Sie wünschte mir noch viel Glück und mit einem freundlichen Winken verabschiedeten wir uns.

Schließlich erreichte ich die Stadtgrenze von Bamberg und wollte eigentlich schon nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen. Aber auch heute war ich wieder so voller Adrenalin und so entschloss ich mich nun doch noch Heiligenstadt zu erreichen. Eine Entscheidung, die ich später etwas bereute, denn ich vergass, dass Heiligenstadt in der fränkischen Schweiz liegt. Gegen 20 Uhr und nach 116 km, stand ich dann schließlich doch am Ortsschild von Heiligenstadt, wo ich Mitte der 70er mit meinen Eltern gelebt und zur Schule gegangen war.

Das war das erste Mal seit über 40 Jahren, dass ich nun wieder hier stand und plötzlich waren auch da wieder viele Erinnerungen sehr präsent. Mein Schulkamerad, dessen Eltern eine Metzgerei hatten und wo ich beim spielen versehntlich mit einem Bein in der Jauchegrube eingesunken war. Der Steinbruch, in dem ich viele versteinerte Fossilien gefunden hatte, Der Fluss Leinleiter, in dem wir als Kinder immer gebadet hatten. Oder meine Schulkameradin Bettina (der Name fiel mir beim Schreiben ein) und deren Freundin Elke C. Wir spielten oft zusammen und Elke war damals meine ersten heimliche Liebe. Bei einem unserer Spielnachmittage schupste ich Bettina dabei so unglücklich, dass sie sich den Arm doppelt gebrochen hatte und der anschließenden Ärger meines Vaters war sehr heftig.

Nun hatte ich aber auch mächtigen Hunger und ich entschied mich für einen kleinen Biergarten mitten im Dorf, den es früher meines Wissens nach nicht gegeben hatte. Nach einem leckeren panierten Schnitzel mit Pommes, Salat und hausgemachten Apfelkuchen als Nachtisch und gutem fränkischen Bier, versuchte ich erfolglos eine Unterkunft zu finden. So entschloss ich mich schließlich zum ersten Mal auf der Tour für eine Übernachtung unter freiem Himmel in der Nähe von Heiligenstadt.

Mein Wahl fiel auf die hinterste Ecke den Sportplatz, wo ich als Junge auch im dortigen Fußballverein spielte, aber irgendwie konnte mich Fußball schon damals nicht begeistern. Ich achtete übrigens auch peinlichst genau darauf, nicht’s an Unrat in der Natur liegen zu lassen und die Notdurft verknief ich mir bis zum nächsten Tag. Als ich meiner Frau davon berichtete, wo ich heute Nacht schlafen werde, hielt sie mich erst für verrückt. Als ich ihr als Beweis aber das Foto schickte, war sie sprachlos. Auf dem Weg dort hin hielt ich auch kurz an der Volksschule, die ich als Kind besucht hatte. Die einzige Erinnerung, die beim betrachten der Schule bei mir aufploppte, war mein Bonanza-Rad von Mars (Mars war damals eine Eigenmarke vom Versandhaus Quelle), mit dem ich tagtäglich zur Schule fuhr.

Etwas erschöpft von der Tagesetappe schlief ich dann auch relativ schnell unter meinem Schrägdach, was zwischen meinem Fahrrad und einem Zaun gespannt war, ein.

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