Die “Tour meines Lebens” – Tag 4 (Gollmuthhausen)

Heutige Etappe: 129 km
Gesamtstrecke: 434,8 km
Fahrtzeit (netto): 05:51 Stunden
Ø Geschwindigkeit: 22,0 km/h
1.330 Höhenmeter
Übernachtung in Gollmuthhausen (bei Sylvia & Oli)


Dienstag, 28.07.2020 – Ich nutzte die Gelegenheit eines tollen Bettes bei Kalle und Tina um mal schön auszuschlafen, denn heute stand die Rhön-Etappe an. Das ich am Ende des Tages sogar meine bis dahin längst Etappe hinlegen würde, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht.

Bei schwülwarmen Temperaturen und gestärkt vom leckeren Frühstück ging es leicht verspätet gegen 10:30 Uhr los und der Himmel sah aus, als gäbe es jeden Moment Regen. Gott sei Dank blieb es aber nur bei dem Eindruck und im Laufe des Tages wurde es zunehmend wärmer.

Meine Fahrt nach Hammelburg, als erste wichtige Etappe meiner Tour, führte entlang von riesigen Sonnenblumenfeldern wie ich sie so noch nie gesehen hatte, den für die Rhön typischen Steigungen und teils heftigem Gegenwind. Aber irgendwie trieb mich die Vorfreude auf eine meiner ersten Lebensziele enorm an.

Schließlich erreichte ich gegen 12 Uhr Hammelburg und wie auf Bestellung riss der Himmel auf. Der Lagerberg war meine militärische Heimat von 2006 — 2009 und 3-monatiger Lehrgangsort 1991. Es war auch schön mal nach so langer Zeit wieder vor dem Kasernentor zu stehen, im Kopf die Trompetenmelodie beim Flaggenapell und gern hätte ich noch den ein oder andren alten Kameraden besucht. Aber es zog mich auch weiter, schließlich wollte ich mich noch mit meinem Kameraden Thomas B. in Reichenbach treffen, der auch schon auf dem Rad unterwegs war, um mir entgegen zu fahren. So verwarf ich die Pläne, was ich jetzt aber auch nicht als allzu schlimm empfand.

Zunächst ging es zügig bergab Richtung Fuchstadt und von da durch das Saaletal nach Bad Kissingen. Kurz vor dem Sinberg, füllte ich noch meine Wasserreserven bei einer sehr freundlichen Frau auf und nach dem üblich Small Talk ging es weiter. Ich musste nun auch etwas zügiger in die Pedale treten, da mein Kamerad Thomas schon am 10 Kilometer entfernten Treffpunkt war und auf mich wartete.

Als ich schließlich eintraf, gab es eine sehr herzliche Begrüßung, denn wir hatten uns 2009 das letzte Mal gesehen. Danach setzten wir uns auf unsere Räder und fuhren Richtung Rhön, während wir uns über meine bevorstehende Zurruhesetzung und über alte Zeiten unterhielten. Thomas ist selbst seit März 2020 im Ruhestand und nun auch viel mit dem E-MTB unterwegs. Blöd war nur, dass ich schon fast 50% Akku verbraucht hatte und noch Reserven zurück halten wollte und so war dann wieder Oldschool-Treten angesagt… Bei rund 150 kg fahrbereitem Zustand inkl. Fahrer kein Zuckerschlecken in der Rhön.

Das nächste Ziel war Fladungen, wo ich von 1996 – 2009 mit meiner Ex-Frau und meinen Kindern lebte. Als wir vor dem Haus standen, kam auch mein ehemaliger Nachbar und Kumpel Fertich um die Ecke und konnte es nicht glauben, dass ich mit dem Rad tatsächlich vor der Tür stand. Danach ging es weiter zu meinen Kumpels Christian G. und Matthias G., die ebenfalls in Fladungen wohnen. Ich hatte mich da ja schon angekündigt, aber auch sie konnten ihren Augen nicht trauen. Gern hätte ich mich mit ihnen noch weiter unterhalten, aber da mein Zeitplan immer enger wurde, brachen wir nach einem alkoholfreien Pils wieder auf, um uns in Nordheim noch einmal zu stärken.

Mit drei warmen Leberkäseweck, war das nächste Ziel Ostheim, wo wir uns mit Klaus K., einem weiteren ehemaligen Kameraden, Ruheständler und ebenfalls Mountainbiker trafen. Nach vielen alten Geschichten und auch wertvollen medizinischen Tipps, musste ich aber auch da aufbrechen, da ich noch meine alte Kaserne in Mellrichstadt besuchen wollte und langsam aber sicher wurde es zunehmend dunkler.

Als eines der grenznahesten Grendierbataillone, wurde das Panzergrenadierbataillon 352 im Rahmen der Reduzierung 2007 leider aufgelöst und als ich gegen 20 Uhr schließlich vor der alten Wache stand, kamen mir wieder so viele Erinnerungen hoch. Die ganzen Übungen, der Aufenthalt in Shilo/Kanada, die Wachschichten, die Ausbildung der Soldaten, meine Tätigkeit als Leiter Lagezentrum und Familienbetreuungsstelle. Alles Verwendungen, an die ich mich noch so gerne zurück erinnere. Nach dem obligatorischen Foto fuhr ich schließlich noch durch die Kaserne und es war beschämend, die Kaserne so verfallen zu sehen. Leider hatte sich nämlich nach der Auflösung zunächst niemand gefunden, der die Liegenschaft übernimmt bzw. die Verhandlungen darüber gestalteten sich sehr schwierig. Nun ist das Hainberg-Areal eine Ansammlung vieler verschiedener kleiner Firmen und dem Dokumentationszentrum des Panzergrendadierbataillon 352. Aber viele der Gebäude, unter anderem auch meine ehemalige 3. Kompanie, waren entweder verfallen oder abgerissen.

Eigentlich war ich danach auch sehr erledigt und müde, es ging auch schon auf 20:30 Uhr zu und ich wollte eigentlich eine mir angebotenen Schlafgelegenheit in Mellrichstadt aufsuchen. Aber gleichzeitig war ich vom Tag noch so aufgekratzt, dass ich mich entschloss, meine Übernachtungspläne zu ändern und noch heute zu Sylvia und Oli nach Gollmuthhausen zu fahren. Nach einem kurzen Telefonat, ob ich doch schon heute vorbei kommen könnte und ggf. sogar noch einen Tag länger bleiben könnte als geplant, trat ich für den heutigen Tag ein letztes Mal in die Pedale.

Mit einer deftigen Brotzeit, knapp 130 km in den Beinen und dem ein oder anderen Bier klang der Abend aus und ich schlief glücklich und zufrieden ein.

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