Die “Tour meines Lebens” – Tag 15 (Bavendorf)

© Pixxelkunst made by Dirk Draewe

Heutige Etappe: 144 km
Gesamtstrecke: 1.290,51 km.
Fahrtzeit (netto): 07:30 Stunden
Ø Geschwindigkeit: 19,3 km/h
940 Höhenmeter

Übernachtung in Bavendorf (Obstplantage)


Samstag, 08.08.2020 – Heute stand Tag 15 meiner Reise in die Vergangenheit an und als Reiseziel stand Ulm auf dem Plan. Es sollte aber auch ein Tag der Entscheidung werden, denn ich war mir noch nicht zu 100% sicher, ob ich tatsächlich die Tour verkürze oder an meiner geplanten Route über Konstanz festhalte.

Aber egal, nach einer super ruhigen Nacht, einer warmen Dusche und einem zu recht deftigen Frühststück, konnte ich mir dann während der Fahrt immer noch Gedanken machen. Stichwort Frühstück, die Pension wurde ja auch wegen dem Frühstück von vielen Radreisenden gelobt und das kann ich nur unterstreichen. Brötchen, Wurst, Käse, süßer Belag, kräftiger Kaffee, Frühstückseier, es fehlte einem an rein gar nichts. Nach einem kurzen Smalltalk mit dem andren Radreisen, den ich ja schon vom Vortag kannte, setzte ich mich wieder in den Sattel.

Die Strecke Richtung Ulm war eher unspektakulär, relativ eben und verlief auf gut ausgebauten Radwegen. Dadurch hatte ich auch viel Zeit zum Nachdenken, während die Temperaturen sehr schnell, im Gegensatz zum Geländeprofil, sehr stark anstiegen. Nach rund 3 Stunden stand ich schließlich am Ortsschild von Ulm und innerlich hatte ich mich schon relativ sicher für den Abzweig nach links Richtung Bodensee entschieden, auch wenn dies 170 km mehr bzw. 1 1/2 Tage länger unterwegs bedeutete. Da ich aber bereits in 6 Tagen zuhause sein wollte, hieß das auch auf den dann restlichen 600 km, die Tagesetappen deutlich zu erhöhen. Eine Entscheidung, die angesichts der immer heißer werdenden Tage wohl überlegt sein sollte, den es war auch eine deutliche höhere körperliche Belastung für mich.

Zunächst fuhr ich jedoch zur Wilhlmelsburg-Kaserne, in der ich am 01.04.1987 eingezogen und bis Ende Juni 1987 meine 3-monatige Grundausbildung absolvierte. Auch hier schossen mir wieder Bilder von damals in den Kopf. Wie wir mit den olivgrünen Bussen vor der Wache anhielten und gespannt ausstiegen. Das Wachlokal war damals auf der linken Seite, heute war es rechts, aber der Parktplatz war immer noch der selbe. Da es sich aber mittlerweile um den Sitz des Multinationalen Kommandos Operative Führung handelte, fragte ich sicherheitshalber um Fotografiererlaubnis. Ich legte meinen ganzen Charme in die Waagschale, erklärte dem zivilen Wachpersonal den Grund meiner Reise und nach ein paar Minuten bekam ich vom Offizier vom Wachdienst (OvWa) Gott sei Dank die Erlaubnis. Nachdem das Selfie im Kasten war, blickte ich noch einmal zurück und fuhr ein paar Meter weg von der Kaserne um im Schatten noch einmal zurück zu blicken.

Ich zitterte zum ersten Mal auf der Tour am ganzen Körper und es lag glaube ich nicht an der körperlichen Anstrengung. Es war die gesamte Szenerie und dieses komische Gefühl, nach rund 33 Jahren wieder vor der Kaserne zu stehen, wo alles für mich begann. Ein absolut emotionaler Moment für mich,der sicherlich aber auch noch von den mittlerweile 1.200 Kilometer und 14 Tagen Fahrt verstärkt wurde. Zumal ich nun auch alle meiner beruflichen Stationen abgefahren hatte und mir auf meiner Agenda nur noch Konstanz fehlte.

Da es mittlerweile schon auf Mittag zuging und so langsam das Frühstück nachließ, entschloss ich mich im Schatten vom Ulmer Münster für ein Weißwurstfrühstück, natürlich traditionell mit einem (leider) alkoholfreiem Weizen um dann auch meine Entscheidung zu treffen. Wie schon fast erwartet, fiel die Entscheidung für Konstanz und für mich war es in dem Moment die absolut richtige Entscheidung. Je näher ich dem Bodensee kam, desto sicherer war ich mir dann auch, dass dies die bessere Entscheidung war. Ich glaube ich hätte mir noch lange Vorwürfe gemacht, hätte ich anders entschieden.

Ähnlich wie am Vortag, fuhr ich den Donauradwanderweg, der aber ab Ulm nicht mehr ganz so offen verlief und mich auch über längere Abschnitte durch Wälder führte. Bei den Temperaturen ein Segen, denn ab Mittag stand die Hitze in der Luft und selbst die Fahrt brachte keine Abkühlung mehr.

Eigentlich wollte ich heute auch nur 80 Kilometer fahren, aber ich hatte auch im Hinterkopf, dass ich nur noch 6 Tage für rund 600 Kilometer hatte. Dazu kam noch, dass ich auch erstmals die Auswirkung von COVID-19 (Corona-Virus) zu spüren bekam. Denn der von mir anvisierten Campingplatz ließ keine Besucher aus NRW (da teils als Risikogebiet eingestuft) zu und wenn dann nur mit eigenem autarken Sanitär. Also hieß es weiterfahren und gedanktlich beschäftige ich mich auf einene weiteren Overnighter irgendwo im Wald. Aber zunächst musste ich meine Hunger stillen, denn es ging schon auf 19 Uhr zu und meinen Akku wollte ich auch noch sicherheitshalber laden.

In Baienfurt fand ich dann eine super leckere Pizzeria und neben einer Vorspeise verchlang ich auch noch eine riesige Pizza frisch aus dem Holzofen. So etwas leckeres und vor allem großes, hatte ich schon lang nicht mehr gegessen. Während ich noch ein weiteres alkoholfreies Weizen trank, versuchte ich eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, denn eine Pension bzw. Zimmer hatte ich, es war schon nach fast 20 Uhr, für mich abgehakt.

In Ravensburg fand ich zunächst gegen 21 Uhr einen Weiher, der aber am Rande eines Wohngebietes lag und auch noch jede Menge Leute dort unterwegs waren. Also musste ich weiter suchen und so langsam wurde es auch dunkel. Zu allem Unglück hatte  ich auch noch mein Vorderlicht zuhause vergessen und meine Stirnlampe lag versehentlich eingeschaltet im Rucksack und war leer Das einzige was noch funktionierte war mein Rücklicht und mein Handy diente als Vorderlampe, was nicht so prickelnd war… Gott sei Dank wurde ich nicht von der Polizei erwischt.

Nach 145 km und damit meiner definitiv längsten Etappe, fand ich gegen 22 Uhr kurz vor Bavendorf endlich eine Obstplantage, in der ich es mir gemütlich machen konnte. Leider verlief parallel daneben eine Bundesstraße, wo es aber gegen Mitternacht endlich ruhiger wurde und ich durchschlafen konnte.

Mit Gedanken an ein morgendliches Bad im Bodensee schlief ich erschöpft ein und freute mich dann mit Konstanz die letzte Etappe meiner “Tour des Lebens” zu erreichen und danach nur noch Richtung nach Hause zu radeln.

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