Heutige Etappe: 100 km
Gesamtstrecke: 1.146,51 km.
Fahrtzeit (netto): 04:40 Stunden
Ø Geschwindigkeit: 21,4 km/h
420 Höhenmeter
Übernachtung in Aislingen
Freitag, 07.08.2020 – Gegen 01:30 Uhr wurde ich plötzlich wach und bemerkte, dass ich vergessen hatte das Licht auszuschalten und sogar noch die Brille auf der Nase, sowie mein Handy in der Hand hatte… so k.o. war ich vom Vortag. Aber so schnell wie ich wach wurde, so schnell schlief ich auch wieder ein, bis um 6:40 Uhr mein Wecker regulär klingelte. Ich kam kaum aus dem Bett raus, mir tat echt alles weh, aber es half nichts, ich musste raus und mich fertig machen.
Nach einem von Siggi vorbereiteten herzhaften Frühstück, bestehend aus 4 Eiern und Speck sowie zwei deftig belegten Brötchen, ging es um 8 Uhr wieder los für mich. Gerade noch früh genug, bevor es heute richtig heiß werden sollte, auch wenn das Thermometer auch schon 20° C anzeigte.
Mein heutiges Ziel sollte eigentlich Ulm sein, wobei mir sehr schnell klar wurde, dass ich dieses Ziel heute nicht erreichen würde. Die Temperaturen stiegen einfach zu rasant an und gegen Mittag waren es schon gut 30°. Dazu kam noch, dass der Donau-Radwanderweg so schön er auch war, sich wie schon am Vortag fast gänzlich ohne Schatten durch die Landschaft schlängelte. Das machte die Etappe heute um einiges schwerer.
Gegen 13 Uhr verspüre ich dann doch ein leichtes Hungergefühl und plante Mertingen als Zwischenrast ein. Kurz davor hatte ich noch Probleme mit Geräuschen aus dem Motorbereich und ich befürchte schon, dass der Motor sich langsam verabschiedet, da dieses Geräusch schon vor ein paar Tagen aufgetaucht war. Nach einer ausgiebigen Durchsicht stellte sich aber heraus, dass es nur eine Schraube der Schutzabdeckung war, die zu fest angezogen war. Nachdem ich sie etwas gelöst hatte war das Geräusch auch wieder weg und ich konnte beruhigt weiter fahren.
Nachdem ich schließlich auf einem Hinweisschild las, dass es bis Mertingen nur noch 3 Kilometer sind, gab ich nun richtig Gas, da ich mittlerweile extrem Hunger hatte und die Müsliriegel nicht mehr ausreichten, diesen zu stillen.
Ich war schon fast an meinem Ziel als mir das passierte, was ich meinen Kindern immer gepredigt hatte, wenn sie über eine Straße wollten. Ich wollte eine Bundesstraße überqueren, schaute wirklich vorschriftsmäßig nach links, nach rechts und dann wieder nach links und da kein Auto kam, fuhr ich los. Ich war kaum angetreten, sah ich plötzlich von links einen Mercedes auf mich zuschießen, den ich aus mir unerklärlichen Gründen einfach übersehen hatte. Voller Panik trat ich voll in die Pedale, der Mercedes ging voll in die Eisen, das ABS bremste den Wagen stotternd ab und ich konnte förmlich spüren, wie er Mercedes um haaresbreit an meinem Hinterrad vorbei schleuderte. Durch die geistesgegenwärtige Reaktion des Fahrer (ich glaube seine Beifahrerin sah mich schon durch die Luft fliegen), konnte Gott sei Dank Schlimmeres verhindert werden. Schlagartig war ich wieder voll, glockenwach und musste erst einmal mit zitternden Knien den Beinahe-Unfall verdauen. Zur Entschuldigung hob ich noch kurz die Hand zum Mercedesfahrer und rief ihm ein lautes “Sorry” hinterher… aber ich glaube er verfluchte mich in dem Moment zu sehr.
Beim Penny in Mertingen versorgte ich mich, immer noch sehr aufgeregt, mit Essen, einem alkoholfreien Weizen und setzte mich in den Schatten und aß genüßlich meine Käseknacker. Dabei wurde ich wie schon so oft, mit zwei älteren Damen ins Gespräch, die mir die üblichen Fragen stellten und mir auch Tipps für einen leckeren Biergarten gaben. Gerne hätte ich diesen Tipp auch in die Tag umgesetzt, aber ich wollte heute zumindest noch Wertingen erreich, wo ich meine heutige Übernachtung geplant hatte. Aber bis dahin war es noch rund 20 Kilometer und die Sonne zeigte kein Erbarmen mit mir.
In Wertingen angekommen, ging ich nochmal auf Zimmersuche und entschied mich über Booking.com doch für einen andren Ort, nämlich dem 20 Kilometer entfernte Aislingen. Die Pension “Zur Dorfmühle” (http://zur-dorfmuehle.de/index.php/de/) hatte mich sofort angesprochen und auch die Rezensionen klangen sehr vielversprechend. Allerdings ärgerte ich mich, dass ich über Booking.com fast 10€ mehr zahlte als wie auf der Website angeben war. Ich hakte das als Lehrgeld ab und ab dem Moment war mir klar, dass ich über die so allseits hochgelobten Buchungsportale nur noch buche, wenn sie genauso teuer wie vor Ort bzw. billiger sind. Aber dafür entschädigte das Zimmer mit traumhafter Ruhe und gemütlicen Intereur. Da es dort aber nur Frühstück gab, folgte ich dem Rat der Besitzerin und fuhr mit dem Rad zum Essen im Landgasthof “Zum Adler” (https://adler-aislingen.de/), welcher in unmittelbarer Nähe zur Pension lag.
Witzigerweise traf ich in der Pension auch einen anderen Radreisenden, den ich vorher schon zufällig in Wertingen in der Eisdiele getroffen hatte, wo ich mir zur Abkühlung ein Eis gegönnt hatte und meine Trinkblase zum x-ten Male an dem Tag aufgefüllt hatte. Aber das sollte nicht die einzige Überraschung des Abends sein.
Als ich nämlich im Landgasthof “Zum Adler” fertig gegessen und gezahlt hatte, kam noch eine andere Gruppe Radwanderer an dem Landgasthof an. Ich wollte gerade aufstehen um zu gehen, als mich einer der Radfahrer fragte, ob mein Tisch jetzt dann frei werden würde. Ich bejahte und er sagte nur “komm bleib sitzn, trink no a hoibe mit uns” und zack, schon waren wir im Gespräch.
Nach und nach kamen die andern drei Radfahrer auch aus dem Landhotel, denn sie hatten da Zimmer reserviert und dabei stellte sich heraus, dass die vier aus Roding und Umgebung waren. Sie waren auf einem Männer-Wochenenden unterwegs, waren mit dem Zug nach Ulm gefahren sind und fuhren von dort mit Rad nach Roding zurück. Wir unterhielten uns über alles mögliche, lachten, tauschten Tipps aus und sie wollten natürlich auch wissen, wie es mich nach Roding getrieben hat. Dabei stellte sich heraus, dass wir den ein oder anderen gemeinsamen Bekannten hatten, unter andrem auch meinen Kameraden Sepp, der mit einem der Radfahrer zusammen im Eisstock-Verein ist. Wie gern wäre ich mit den vieren noch weiter sitzen geblieben, aber ich wollte am nächsten Tag wieder früh raus und daher verabschiedete ich mich wehmütig von ihnen.
In der Pension angekommen, holte ich mir noch ein frisches Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich an die Planung für die morgige Etappe. Zum ersten Mal seit Tourbeginn haderte ich mit mir selbst und war mir nicht sicher, ob es klug war, Konstanz als letzte Station meiner “Tour des Lebens” tatsächlich auszulassen. Ich hatte ja deswegen auch schon zwei Tage vorher mit meiner Frau telefoniert. Aber nun war ich mir meiner Entscheidung absolut nicht mehr sicher.
Ich wusste nur, dass ich morgen in Ulm eine Entscheidung treffen müsste, ob ich links Richtung Bodensee oder rechts Richtung Heimat abbiege. Je mehr ich drüber nachdachte, desto mehr war ich hin- und hergerissen. Zum einen machte mir die Hitze ganz große Sorgen, denn für die nächsten Tage sollte es noch heißer werden. Aber auch die rund 200 zusätzlichen Kilometer und somit mindestens noch ein weiterer Tag trieben mir Sorgenfalten auf die Stirn.
In Gedanken spielte ich auch Notfallpläne durch, für denn Fall, dass es tatsächlich so heiß wird, wie sie meldeten und ich dadurch kürzere Tagesetappen fahren müsste. Als Option zog ich dann auch schon in Erwägung, Teilstücke mit dem Zug zu fahren, um rechtzeitig am 14.08. wieder zu Hause zu sein. Selbst ein abschließendes Telefonat mit meiner Frau brachte mir keine Erläuchtung und so blieb mir nur eins übrig… eine Nacht drüber schlafen und schauen, wie der nächste Tag verläuft.